„Im Kino gewesen, geweint,“ schreibt Franz Kafka 1921 in sein Tagebuch. „Die ganze Welt ist bei mir im Zimmer,“ stellt Gilgi, die Ich-Erzählerin aus Irmgard Keuns Gilgi, oder eine von uns (1931) fest, als sie das Radio anmacht. In der Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts manifestiert sich die Entwicklung und Popularisierung des Kinos, des Rundfunks und der Musik auf Tonträgern als thematisches und strukturelles Grundrauschen. Eine große Zahl von Schriftsteller*innen setzen sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit dem Film auseinander (Kino-Debatte. Texte zum Verhältnis von Literatur und Film 1909-1929, hrsg. v. Anton Kaes), was sich teilweise auch in ihren literarischen Werken zeigt. Kafkas Erzählprosa weist in ihrer schnellen Abfolge von Szenen und ihrer Perspektivierung Einflüsse des frühen Kinos auf und Alfred Döblin fordert schon 1913 in seinem Berliner Programm einen Kinostil. Auch der Rundfunk, der Ende der 20er Jahre bereits schätzungsweise neun Millionen Menschen in Deutschland erreicht, wird für Schriftsteller*innen zum relevanten Medium, das sowohl theoretisch betrachtet wird (u.a. Bertolt Brechts Radiotheorien) als auch literarisch thematisiert wird.
Das Seminar betrachtet zum einen anhand theoretischer Texte von Schriftsteller*innen, wie Schreibende die Möglichkeiten und Einflüsse der neuen Medien der Zeit einschätzen und zu Literatur in Beziehung setzen. Zum anderen wird mit Blick auf Primärwerke des frühen 20. Jahrhunderts der Einfluss dieser Medien auf das literarische Schreiben analysiert. Zudem vermittelt das Seminar Grundlagen und Methoden der Intermedialitätsforschung mit einem literaturwissenschaftlichen Fokus.
Lehramt Gymnasium PO 2016/2012: Hausarbeit (20 S.)
Master of Arts Germ. Literaturwissenschaft: Hausarbeit (20 S.) / mündl. Prüfung (40min.)
Master of Arts Kultur-Interkulturalität-Literatur: Hausarbeit (20 S.)
- Dozent/in: Simon Sahner