Spätestens seit der griechisch-römischen Antike ist die Vorstellung von Androgynität Teil unserer Kultur. Platons Kugelmenschen oder der Mythos um Hermaphroditos aus Ovids Metamorphosen sind nur zwei Beispiele für die Trennung bzw. Vereinigung der Geschlechter. Doch ist sie nicht nur Teil von Schöpfungsmythen, sondern hat als Motiv, das der Sehnsucht nach der Wiedererlangung einer verlorenen Einheit, nach Vollkommenheit, Ausdruck verleiht, seinen festen Platz in der bildenden Kunst, der Literatur und Psychologie. Das Seminar möchte in diesen Bereichen einen Schwerpunkt im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert setzen und nicht zuletzt nach seiner Funktion für Konzeptionen von Schöpferkraft und Künstlertum fragen. In jüngerer Vergangenheit gewann Androgynität Bedeutung in der Auseinandersetzung mit herrschenden gesellschaftlichen Zuständen und dem Entwurf neuer Utopien. Im Fokus steht dabei natürlich die Neudefinierung der Geschlechterverhältnisse, die bspw. in unserer Gegenwart in der Mode wieder unter dem Schlagwort der Androgynität ausgehandelt wird. Somit verfolgt das Seminar bei der Betrachtung von Androgynität als kulturellem Konzept einen interdisziplinären Ansatz und nimmt sich mit Romanauzügen, Gemälden, psychologischen Studien und Kleidung verschiedenste Artefakte unseres kulturellen Systems zum Gegenstand. Das Seminar wird digital stattfinden.
- Dozent/in: Ulrike Wolter