Raum und Räumlichkeit haben seit den 1990er-Jahren als Forschungsgegenstand in den Kultur- und Sozialwissenschaften große Aufmerksamkeit erfahren. Dabei handelt es sich keineswegs um ein rein theoretisches Interesse: Nicht zuletzt ist es den gravierenden Veränderungen der Raumerfahrung durch Phänomene wie Globalisierung, neue Medien und neue Formen der Mobilität zu verdanken, dass sich seit Ende des 20. Jahrhunderts auch in der Öffentlichkeit die Sensibilität für die Thematik verstärkt hat.

In den interdisziplinären Diskussionen liegen auch den einzelwissenschaftlichen Forschungen explizite oder implizite Annahmen über den Raum zugrunde, die sich zum Teil auf jahrhundertealte philosophische Debatten zurückführen lassen. Beispielsweise hat die Frage, ob dem Raum eine Existenz unabhängig von den Gegenständen, die sich in ihm befinden, zukommt, oder ob er umgekehrt erst aus den Beziehungen der Gegenstände gebildet wird, schon die Kontroverse zwischen Newton und Leibniz bestimmt. Mit der Rezeption der Relativitätstheorie ändert sich auch der philosophische Blick auf den Raum und sein Verhältnis zur Zeit am Beginn des 20. Jahrhunderts, zugleich kommt in der Phänomenologie auch ein neues Interesse am ge- bzw. erlebten Raum auf, wobei dann auch die Unterscheidung von Ort („place“) und Raum („space“) eine wichtige Rolle einnimmt. Angesichts der Vielfalt philosophischer Raum- und Ortstheorien im 20. Jahrhundert möchte die Vorlesung einen historischen und systematischen Überblick geben und dabei einen Schwerpunkt auf die neuere Philosophie des Ortes legen.