»Die Kindheit hat eine eigene Art zu sehen, zu denken und zu fühlen, und nichts ist unvernünftiger, als ihr unsere Art unterzuschieben« heißt es an einer vielzitierten Stelle in Jean-Jacques Rousseaus Emile oder Über die Erziehung (1762). Seit der Aufklärung entwickelt sich eine Vorstellung, die Kindheit als einen grundlegend anderen, fremden und seltsam unerforschten Lebensabschnitt versteht. Damit öffnet sich ein Einfallstor für die Literatur, die sich seit dem 18. Jahrhundert nicht nur eingehend mit Fragen der Erziehung, sondern auch mit Kindheit als einer eigenen Daseinsform und einer rätselhaften Zone der Unbestimmbarkeit auseinandersetzt. Diese Reflexionen und Phantasien verfolgen wir in diesem Seminar anhand von literarischen und ausgewählten nicht-fiktionalen und wissenschaftlichen Texten bis ins 20. Jahrhundert.

Dabei werden wir u.a. Texte von Friedrich Schiller, Karl-Philipp Moritz, Jean Paul, E.T.A. Hoffmann, Adalbert Stifter, Ellen Key, Sigmund Freud, Robert Walser, Walter Benjamin und Marie-Luise Kaschnitz lesen.

Zur Vorbereitung und Vertiefung:

  • Davide Giuriato/Philipp Hubmann/Mareike Schildmann (Hg.): Kindheit und Literatur. Konzepte – Poetik – Wissen. Freiburg im Breisgau 2018.
  • Davide Giuriato: Grenzenlose Bestimmbarkeit. Kindheiten in der Literatur der Moderne. Zürich 2020.