Spätestens seit der Berliner Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ ist das Recht auf grenzenloses Eigentum in Deutschland wieder einer prominenten Kritik von links ausgesetzt. Manchmal unbeabsichtigt wird im Kontext von Eigentum und Enteignung philosophisch argumentiert, etwa, indem individuelles Eigentum als Menschenrecht definiert wird, das für eine moderne Gesellschaft obligatorisch sei, oder indem der vage Begriff des Gemeinwohls, des gesellschaftlichen Nutzens und des gleichen Rechts auf bestimmte Güter dem gegenübergestellt wird.

Daher erscheint es brisant, die philosophische Genese des Besitzindividualismus zu untersuchen. Das Recht auf Eigentum etabliert eine moderne, bürgerliche Sozialordnung, die ständische Ordnungen ablöst. Einerseits steht diese neuere Ordnung für eine rechtliche Gleichheit, aber auch für eine Differenzierung und Hierarchisierung der Gesellschaft auf Basis von Besitz oder damit verbundenen Werten (wie individuelle Leistung). Dieser Gegensatz aus rechtlicher Gleichheit und sozialer Ungleichheit soll in dem Seminar betrachtet werden.

Historisch motiviert werden neuzeitliche, normative Eigentumstheorien und ihre philosophischen Begründungen und Kritik diskutiert. Behandelt werden Verteidiger von Eigentumsordnungen, wie John Locke, Adam Smith, die bürgerlichen Revolutionäre, Immanuel Kant, Jeremy Bentham oder John Rawls und Kritiker solcher Ordnungen (etwa indem das Recht auf Eigentum an sich infrage gestellt wird, oder Eigentum eher bedarfsorientiert und damit wesentlich beschränkter begründet wird oder indem Ungleichverteilung als ungerecht klassifiziert wird), wie die englischen Diggers, Jean-Jacques Rousseau, Johann Gottlieb Fichte, Pierre Proudhon, Karl Marx und Friedrich Engels oder teils auch Thomas Piketty.

Gefragt wird danach, wie Eigentum und Besitz jeweils definiert werden – da dies einer ideenhistorischen Wandlung unterliegt – wie sie konstituiert, begründet und in eine natur- oder menschenrechtliche Ordnung eingebettet werden, welche expliziten und impliziten Annahmen über Mensch und Gesellschaft bestehen (oder übernommen werden), welche Rolle Ideologie und Ideologiekritik spielen und welche Auswirkungen Eigentumsordnungen (und die damit verbundene soziale Ungleichheit) auf das Politische (und den Wert demokratischer Gleichheit) haben.