Das Seminar verbindet Fragen und Kategorien der ästhetischen Theorie mit soziologischen und kulturwissenschaftlichen Studien über den Zusammenhang von Schönheit und Geschlecht. Wir fokussieren drei historische Schnitte: Als sich im 18. Jahrhundert im Austausch von Philosophie, Literaturkritik und Kunstrezeption die Ästhetik als eine Theorie des Schönen und der schönen Künste entwickelt, wird die Darstellung des menschlichen Körpers zu einem Paradigma des Schönen. Obwohl in den zeitgenössischen Debatten Statuen schöner männlicher Figuren wie Apollo oder Laokoon (Winckelmann, Lessing) eine große Rolle spielten, dominierten kurz darauf geschlechterdifferierende Ansätze. So unterscheidet etwa Kant das schöne weibliche vom erhabenen männlichen Geschlecht und auch Schillers Modell der 'schönen Seele' stellt eine Verbindung von Schönheit und Weiblichkeit her. Wir werden im Seminar diskutieren, wie sich diese historische Konstellation im 19. Jahrhundert entwickelt – lässt sich Edgar Alan Poes Überlegung, "der Tod einer schönen Frau ist also ohne Zweifel das poetischste Thema der Welt" im Motiv der 'schönen Leiche' in der deutschsprachigen décadence-Literatur bestätigen? Wie verhalten sich dazu die schönen Männer dieser Zeit, etwa Thomas Manns Hochstapler Felix Krull? Welche Vorstellungen und Normierungen von Geschlechterdifferenz werden in diesen Texten aufgerufen, aktualisiert oder aber konterkariert? Die letzte und dritte Etappe des Seminars gilt der Gegenwartsliteratur. Vor dem Hintergrund einer feministischen Kritik des Schönheitsmythos (Naomi Wolf) sowie praxeologischen Theorien des "Schönheitshandelns" (Nina Degele) wird zu fragen sein, ob und wie literarische Texte an der Auflösung polarer Geschlechterdiskurse und an der Einbeziehung einer intersektionalen Kritik des Schönen beteiligt sind, d.h. welche Semantiken und Figuren des Schönen dort zu finden sind.