Trotz der herausragenden Rolle, die jüdische Bevölkerung im Leben in Osteuropa spielte, blieb ihre Vernichtung im Holocaust lange vergessen. Trotz einiger eindrücklicher früher Zeugnisse wie der Texte von Tadeusz Borowski oder Vasilii Grosmann, lagen die Ursachen für die kollektiven Amnesien zum Teil in der widersprüchlichen Erinnerungspolitik unter Sozialismus, die trotz des offiziellen Antifaschismus mit der Besonderheit des jüdischen Schicksals nicht umgehen konnte. Zum anderen war das Schweigen in nationalistischen und antisemitischen Ideologien verwurzelt, die ihre Blütezeit nach dem Zerfall kontinentaler Reiche in der Zwischenkriegszeit erlebten. Vielmehr inszenierte sich der Nationalismus nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten selbst als Opfer von und ideologische Alternative zum Sozialismus. Nach der Wende gingen von der europäischen Erinnerungsdebatte neue Impulse zur Aufarbeitung der totalitären Vergangenheiten aus. Ihre Rezeption in Osteuropa wurde häufig aber in die lokalen Geschichts- und Opfernarrative integriert. Ausgehend vom bahnbrechenden Buch des polnisch-amerikanischen Historikers Jan Gross werden wir uns dem Schicksal und den Repräsentationen des Holocaust in slawischen Kulturen nähern und fragen, unter welchen Bedingungen die Rückkehr des verdrängten und vergessenen jüdischen Anderen ins kollektive Bewusstsein Osteuropas stattfand.