Die Geschichte der Medizin erlebt seit geraumer Zeit eine Neuorientierung: Wurde sie lange Zeit als historistische Erfolgsgeschichte, die aus einer Aneinanderreihung diverser Entdeckungen durch (meist männliche) Ärzte bestand, geschrieben, findet heute eine kritische Auseinandersetzung mit medizinischen Praktiken statt. Aktuelle Studien belegen, dass medizinische Forschung meist auf den männlichen, mitteleuropäischen Körper zugeschnitten ist, was eine schlechtere Versorgung derjenigen zur Folge hat, die dieser Gruppe nicht angehören. Medizinische Gutachten spielen nach wie vor eine große Rolle bei dem Kampf um Anerkennung von Transidentitäten. Das zeigt: Gender und Medizin sind aufs engste miteinander verwoben und stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander: Medizin ist vergeschlechtlicht und Vergeschlechtlichung findet durch medizinische Praktiken und Konzepte statt. 

Das Seminar wählt dieses Verhältnis als Fluchtpunkt, anhand dessen die gesellschaftliche Dimension von Medizin in der (frühen) Neuzeit ausgelotet werden soll und macht es sich damit zur Aufgabe, bestehende Verhältnisse zu historisieren und in ihrer Gewordenheit zu erklären.

Wir werden sowohl Sekundärtexte als auch Quellenmaterial bearbeiten.