Mit „Verehrte Unsichtbare!“ begrüßt Walter Benjamin die Hörer*innen seiner Arbeiten für die Berliner Radiostunde in den späten 1920er Jahren. Noch sind Radiosendungen ephemere Ereignisse, die nicht aufgezeichnet werden. Sie adressieren eine unsichtbare Gemeinschaft, die sich um die Radioapparate versammelt. Wir können die Originalaufnahme nicht mehr nachhören, uns bleiben nur die Manuskripte der Autor*innen. Doch schon bald kommen neue Speichertechniken hinzu, die helfen aus dem ephemeren Medium eines zu machen, das sich archivieren lässt. Über die Wirkmächtigkeit des Mediums herrscht schon von Beginn an kein Zweifel. Die eigentümliche Dialektik von An- und Abwesenheit bleibt aber eine besondere Eigenheit.
In dem Seminar erkunden wir das wechselvolle Verhältnis von Literatur und Radio anhand einiger ausgewählter Beispiele, von den Anfängen in der Weimarer Republik bis zu dokumentarischen Radio-Arbeiten der letzten Jahre. Ein Schwerpunkt liegt auf den Gattungen Hörspiel und Radio-Essay. Das Seminar setzt dabei zudem drei historische Schwerpunkte: Radiotheorie und erste Hörtexte und Hörspiele in der Weimarer Republik, Radio und Literatur in den 1950er Jahren und Radiotexte der Gegenwart. Die Texte für und über das Radio, die uns im Zuge des Seminars beschäftigen, stammen u.a. von: Ilse Aichinger, Rudolf Arnheim, Ingeborg Bachmann, Walter Benjamin, Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Hans-Magnus Enzensberger, Wolfgang Koeppen, Kathrin Röggla oder auch das Theaterkollektiv Rimini Protokoll.
- Dozent/in: Sebastian Haselbeck