Anders als das Epos oder die Tragödie wurde die Novelle bis ins 19. Jahrhundert hinein kaum theoretisch betrachtet. Als wichtiger Bezugstext der Gattung galt lange Zeit aber Boccaccios Decamerone. Ausgehend von Boccaccio werden wir im Seminar exemplarische Novellen des 19.-21. Jahrhunderts lesen und uns gemeinsam Gattungskennzeichen erarbeiten (u.a. von Schiller, Kleist, Heine, Droste-Hülshoff, Stifter, Storm, Hartwig usw.). Im Mittelpunkt stehen dabei die in den Texten entwickelten Erzählstrukturen, die Verwandtschaft der Novelle mit dem Anekdotischen, ihre Spannung zwischen Erfindung, Klatsch und Kolportage, ihre Nähe zur leichten Unterhaltung, aber vor allem ihre Kritik an Rechtssystemen und gesellschaftlichen Normen. In Auseinandersetzung mit der Geschichte der Novelle werden wir auch nach Methoden der Literaturgeschichtsschreibung fragen. Vorausgesetzt wird die Bereitschaft zur intensiven Lektüre.
- Dozent/in: Andrea Erwig-Haselbeck