Die Omnipräsenz digitaler Medien und die diese dominierenden verkürzten Textformate führen,
so wird vermutet, zu Veränderungen in den Lese-, Verstehens- und Lernprozessen junger und
erwachsener Menschen. Angesichts dieses Tatbestands stellt sich die Frage, welche
Bedeutung der intensiven Beschäftigung mit Ganzschriften in der (philosophischen) Bildung
überhaupt noch zukommt?
Das Seminar will sich dieser Frage aus verschiedenen Perspektiven widmen. Was gilt
grundsätzlich als Ganzschrift? Welcher didaktische Mehrwert lässt sich im Unterricht aus der
Beschäftigung mit Ganzschriften gegenüber anderen, traditionellen Lehrwerken und
Schulmedien und den hier in aller Regel vorherrschenden Textausschnitten ziehen? Welche
fachspezifischen und fachübergreifenden Kompetenzen können durch die Lektüre von
Ganzschriften im Besonderen gefördert werden? Inwiefern sind klassische Ganzschriften
anschlussfähig an aktuelle Debatten und Diskurse, die auch jungen Menschen bedeutsam
erscheinen (man denke an klassische fachdidaktische Prinzipien wie Lebensweltbezug und
Problemorientierung)? Mithilfe welcher fachübergreifenden und fachspezifischen Methoden
lassen sich die in Ganzschriften enthaltenden Antworten auf philosophische Problemstellungen
so entschlüsseln, dass es möglicherweise auch zu weitergehender philosophischer Lektüre
motiviert? Lassen sich Ganzschriften im Spannungsfeld von Curricula und Kanonisierung
überhaupt noch rechtfertigen? Und welchen wissenschaftspropädeutischen Ertrag liefert die
Auseinandersetzung mit Ganzschriften, wenn man an weitergehende Bildungsprozesse in zum
Beispiel Universitäten, Fachhochschulen und Akademien denkt? (Gerber, Heise, Tiedemann,
Ganzschriften im Philosophie- und Ethikunterricht, 2022) Andere, eigene Fragen und
Problemstellungen können in den gemeinsamen Verstehensprozess eingebracht werden.
Nähere Informationen zu den Textgrundlagen und der Struktur des Blockseminars werden in
der ersten Sitzung bekannt gegeben und miteinander abgestimmt.