Dass Romane, Novellen und andere Prosa-Texte die erste Person Singular nutzen, ist seit langer Zeit eine erzählerische Konvention, um Subjektivität narrativ darzustellen. Das Seminar wird diesen Zusammenhang literaturtheoretisch und literarhistorisch an ausgewählten Beispielen diskutieren. Anhand von Goethes Die Leiden des jungen Werthers werden wir der Genese des modernen Romans folgen – und dann einen schnellen Gang durch die Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts anschließen: Arthur Schnitzlers Novellen etablieren die Technik des Bewusstseinsstroms in der deutschsprachigen Literatur, Marlen Haushofers Die Wand ist als feministische Robinsonade der zweiten Frauenbewegung gelesen worden und Yoko Tawadas Etüden im Schnee bringen wohl Tiere zum Sprechen. Um zu verstehen, was in diesen Texten literarisch passiert, werden wir zu Beginn des Semesters mit einer grammatischen Beschreibung des „ich” als Erzählinstanz starten und auch Grundlagen der Erzähltheorie vertiefend diskutieren. Die Frage, inwiefern die Darstellung von Subjektivität und die Modellierung von Geschlecht zusammenhängen, wird uns dabei durch das ganze Semester hindurch begleiten.