Spätestens seit dem russischen Angriff gegen die Ukraine erleben wir eine erstaunliche Konjunktur des Heroischen – trotz der verbreiteten Annahme, dass die Heldenbilder längst in die Vergangenheit gehören und unser Zeitalter ein rationales und postheroisches (Herfried Münkler) ist. Die Vorstellung, dass in der Ukraine in „einem Kampf Davids gegen den Goliath” die Zukunft der globalen Demokratie und Menschenrechte (oder der „russischen Welt”!) verteidigt werden, weisen jedoch eine starke heroische Grundierung auf. Ihr moralischer Absolutismus widerspricht andererseits dem demokratischen Pluralismus und seiner Grundidee der Toleranz und eines friedlich-zivilisierten Zusammenlebens verschiedener Systeme und Kulturen. Dabei fällt auf, dass die Heldendiskurse nicht nur seit dem „ersten” Krieg in der Ukraine 2014 explodierten, sondern ihm sogar vorausgingen. Auf der ukrainischen Seite gehören dazu die Bilder einer wehrhaften Zivilgesellschaft, die sich einer kompromisslosen Verteidigung gegen einen despotischen und barbarischen Nachbarn verschreibt, und dabei von einem Präsidenten angeführt wird, der als neuer Charles de Gaulle oder Winston Churchill gegen eine dämonische Reinkarnation von Stalin und Hitler in persona des russischen Diktators Vladimir Putin anführt. Auf der russischen – die Vorstellung, dass mit dem Angriff gegen die Ukraine Russland seine heldenhafte Verteidigung gegen den imperialen und „faschistischen” Westen wiederaufnimmt. Anhand von literarischen Texten, Filmen, Musik und sozialen Medien werden wir zunächst die Traditionen des Heldenhaften in slawischen Kulturen und ihre Aktualisierungen in der Gegenwart kennenlernen. Dabei werden wir uns nicht nur mit den Ursprüngen des Heroischen beschäftigen, sondern auch mit der Frage, wie Heroismus, Trauma, Krieg und sogar Männlichkeit zusammenhängen und zu immer neuen Wiederholungen der Katastrophenszenarien führen können.

Teilnahmevoraussetzungen: Referat und regelmäßige Teilnahme; Kenntnisse osteuropäischer Sprachen sind nicht erforderlich.