Wie kann man für diejenigen eintreten, die nicht für sich selbst sprechen können oder deren Stimme nicht gehört wird? Das Seminar erkundet die Möglichkeiten und Grenzen von Fürsprache und Fürsorge – für benachteiligte und ältere Menschen, für Kranke, scheinbar Unzurechnungsfähige, aus der Gesellschaft Ausgeschlossene, aber auch für das ‚Volk‘, die ‚Frauen‘ u.a.?
Fürsprache heißt seit der antiken Gerichtsrede „vor einem anderen für einen anderen” zu sprechen (Campe), und birgt stets die Gefahr, denjenigen, für die man einzutreten glaubt, auch die Stimme zu nehmen. Dieser Doppelbödigkeit geht das Seminar in literarischen Texten vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart nach, u.a. von Marie von Ebner-Eschenbach, Johanne Charlotte Unzer über Georg Büchner, Franz Kafka, Arno Geiger bis hin zu Dinçer Güçyeter. Die folgenden beiden Fragen stehen dabei im Mittelpunkt: Wer sind diejenigen, für die gesprochen wird? Welche Darstellungsformen, dramatischen und erzählerischen Techniken der Fürsprache gibt es? Theoretische Positionen aus den Subaltern Studies, den Gender Studies und den Postcolonial Studies, aber auch methodische Zugänge aus der Narratologie werden uns dabei helfen, den Blick für die politischen Chancen und Probleme von Fürsprache zu schärfen.
Zur Vorbereitung empfohlen:
- Fürsprache. Subalterne Literatur seit der Volksaufklärung. Schwerpunkt der Zeitschrift für Germanistik 1/2024. Hrsg. von Annika Hildebrandt und Roman Widder.
- Katrin Trüstedt: Stellvertretung. Zur Szene der Person. Konstanz 2022.
- Dozent/in: Andrea Erwig-Haselbeck