Kaum ein Schriftsteller verkörpert die enge Verflechtung der russisch-ukrainischen Kulturgeschichte als Nikolaj Gogol’/ Mykola Hohol. Geboren in der Zentralukraine, machte er eine literarische Karriere in der imperialen Metropole St. Petersburg. In seinen Werken, die er unter anderem in Rom schuf, setzte er seinen beiden Heimatländern – der Ukraine und Russland – literarische Denkmäler und wirkte wegweisend für die Entwicklung der jeweiligen Nationalliteratur. Dennoch wurde seine kulturelle Hybridität in Krisenzeiten immer wieder zum Zankapfel, indem sie als Quelle von Unzuverlässigkeit oder gar Verrat interpretiert wurde. Ausgehend von der Figur des russisch-ukrainischen Klassikers werden wir im Seminar weitere Autor*innen und Künstler*innen wie Nikolaj Leskov, Isaak Babel, Michail Bulgakov oder Larysa Sepit’ko kennenlernen, die für die jahrhundertlange Koexistenz und für den überaus fruchtbaren Dialog zwischen beiden Kulturen stehen. Zugleich werden wir den Hintergründen ihrer wachsenden Entfremdung nachgehen, um zu verstehen, wie aus der großen Nähe und gemeinsamen zivilisatorischen Erfahrungen eine derart gewaltsame Entflechtung entstehen konnte.