Frauen haben sich ab dem 18. Jahrhundert das literarische Schreiben über Briefe und Tagebücher angeeignet, mithin über Formen, die Silvia Bovenschen an der Schwelle eines vorästhetischen zum literarischen Raum verortet hat. Da jene Formen weder für eine Öffentlichkeit noch zur Veröffentlichung bestimmt waren, sie deshalb auch kaum kanonisiert wurden, ist die Literaturgeschichte bis ins 20. Jahrhundert weitaus reicher an imaginierter denn an imaginierender Weiblichkeit, was sich noch 1929 im mehrdeutigen Titel des Essays »Women and Fiction« von Virginia Woolf niederschlägt. Seitdem, vor allem ab den siebziger Jahren, stellt sich jedoch kontinuierlich die Frage nach der Besonderheit und dem Selbstverständnis weiblichen Schreibens.

Das Seminar widmet sich dieser Frage und untersucht Charakteristika sowie Spezifika weiblichen Schreibens im 20. Jahrhundert. An sprach- und literaturtheoretischen sowie literaturhistorischen Texten werden Voraussetzungen und Bestimmungen einer »écriture féminine« (Hélène Cixous) erarbeitet und an literarischen Phänomenen reflektiert. Der Fokus liegt dabei auf theoretischen Texten des Differenzfeminismus sowie auf Romanen aus dem Umfeld der Zweiten Frauenbewegung, durch die das Verhältnis weiblichen Schreibens zur Literaturgeschichte behandelt werden soll. Darüber hinaus berührt das Seminar grundlegend die Relation von Literatur und Gender, den Zusammenhang von Geschlecht, Körper und Sprache sowie gegenwärtige Debatten, die diese Facetten neu perspektivieren.