Der 'Tristan' Gottfrieds von Straßburg zählt neben den Artusromanen Hartmanns von Aue und Wolframs von Eschenbach zu den klassischen Texten der höfischen Literatur um 1200. Kennzeichnend für Gottfrieds ‚Tristan‘ sind unter anderem der ausgeprägte Einsatz rhetorischer Figuren, die besondere narrative Funktion des Wunderbaren sowie die transkulturelle Dimension des Stoffes und der Erzählwelt. Der Roman blieb unvollendet, wurde jedoch im späten 13. Jahrhundert durch Fortsetzungen (Ulrich von Türheim, Heinrich von Freiberg) ergänzt. Im Gegensatz zu den Romanen Hartmanns und Wolframs steht im 'Tristan' nicht eine tendenziell harmonisierende Verbindung von Liebe, Ehe und Herrschaft im Mittelpunkt. Vielmehr thematisiert der Roman die passionierte, ehebrecherische Liebe zwischen Tristan und Isolde, die in einem fundamentalen Widerspruch zu den normativen Strukturen des Hofes König Markes, Tristans Lehnsherr und Isoldes Ehemann, steht. In vielfältigen Episoden werden die Paradoxien dieser Konstellation exemplarisch entfaltet. Das eröffnet Einblicke in zentrale Diskurse des Hochmittelalters. Im Seminar lesen und diskutieren wir zunächst über mehrere Sitzungen hinweg den Gesamttext. Anschließend werden wir ausgewählte Episoden unter spezifischen thematischen und theoretischen Fragestellungen vertieft analysieren. Regelmäßige Teilnahme wird erwartet.
- Dozent/in: Falk Quenstedt