„Ich schlage vor, unsere Literatur mit Literatur zu bezeichnen”, hält Suleman Taufiq mit Blick auf die anhaltenden Versuche der deutschsprachigen Literaturwissenschaft und -geschichte fest, Literatur aus migrantischen und postmigrantischen Perspektiven begrifflich zu fassen.

Während Texte aus dem arbeitsmigrantischen Umfeld der 1960er bis 1980er Jahre unter dem Begriff der „Gastarbeiterliteratur” gefasst werden, und Autor*innen damit bereits begrifflich nur als Gäste in Deutschland adressiert sind, bleibt eine Trennung von sog. „Migrationsliteratur” und einer vermeintlichen Nicht-Migrationsliteratur auch in den 1990ern und 2000ern bestehen und wird von Sonderpreisen wie dem Adelbert-von-Chamisso-Preis im Literaturbetrieb mitgetragen. Mit dem „Postmigrantischen” eröffnen sich seit den 2010ern literaturwissenschaftlich neue Perspektiven, die etablierte Paradigmen wie Muttersprache, Heimat und Zughörigkeit kritisch reflektieren.

Diesem Wandel des literaturwissenschaftlichen Begriffsinventars wollen wir im Seminar nachgehen, Verschlagwortungen vor ihrem theoretischen und historischen Kontext reflektieren und Texte von Autor*innen untersuchen, die den wehrhaften Kampf um die Anerkennung ihrer Literatur als Literatur seit den 1960ern geprägt haben. Mit welchen Schreibweisen arbeiten die Texte, in welchen diskursiven Kontexten erscheinen sie und macht es überhaupt Sinn, sie gemeinsam zu besprechen?