Trotz der Klage Herfried Münklers, dass wir in einem postheroischen Zeitalter leben und Heldenbilder ins Archiv des apokalyptischen 20. Jahrhunderts verbannt sind, erleben wir spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine eine verblüffende Konjunktur des Heroischen. Narrative wie der „Kampf Davids gegen Goliath” oder die Überzeugung, in der Ukraine werde die Zukunft der Demokratie und Menschenrechte – oder eben der „russischen Welt” – verteidigt, offenbaren eine starke heroische Tendenz. Deren inhärenter Absolutismus steht jedoch oft im Widerspruch zu demokratischem Pluralismus und Egalität.

Bemerkenswert ist, dass die Heldendiskurse nicht erst mit dem Krieg in der Ukraine aufkamen, sondern ihm sogar vorausgingen. Auf ukrainischer Seite gehören dazu die Bilder einer wehrhaften, „ungebrochenen” Zivilgesellschaft, die sich einer kompromisslosen Verteidigung gegen einen despotischen und barbarischen Nachbarn verschrieben hat. An ihrer Spitze: ein Präsident, der noch gestern Komiker war und heute als moderner Charles de Gaulle oder Winston Churchill gegen eine dämonische Reinkarnation von Stalin und Hitler in einer Person und für die Zukunft der europäischen Demokratie kämpft. Anhand von literarischen Texten, Filmen, Musik und sozialen Medien werden wir zunächst die Traditionen des Heldenhaften in slawischen Kulturen und ihre Aktualisierungen in der Gegenwart kennenlernen. Dabei widmen wir uns nicht nur den Ursprüngen des Heldenhaften, sondern auch der komplexen Verknüpfung von Heroismus, Trauma, Krieg und sogar Männlichkeit, die potentiell zu einer permanenten Reinszenierung der katastrophalen Erfahrungen führen kann.