Das Verhältnis von Mensch, Sprache, Denken und Welt ist seit Jahrhunderten immer wieder thematisiert worden. Schon an einfachen Beispielen lässt sich zeigen, dass Erscheinungen der außersprachlichen Realität in den verschiedenen Sprachen in unterschiedlicher Weise konzeptualisiert werden und Benennungen unterschiedlich motiviert und gebildet sind, vgl. etwa dt. „Muttersprache“ vs. engl. „native language“. Dass jede Sprache ihre eigene Art habe, erkannte schon Martin Luther in seinem „Sendbrief vom Dolmetschen“. Autoren wie J. Locke, G. W. Leibniz und J. G. Herder wurden Wegbereiter der Sprachkonzeption W. von Humboldts, der die Erkenntnis formulierte, dass die Verschiedenheit der Sprachen „nicht eine von Schällen und Zeichen, sondern eine Verschiedenheit der Weltansichten selbst“ sei. In dem Seminar werden die Auffassungen Humboldts und ihre Rezeption betrachtet (insbesondere L. Weisgerber und der Neohumboldtianismus). Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Arbeiten der amerikanischen Ethnologie bzw. Anthropologie (F. Boas, E. Sapir, B. L. Whorf) zum sogenannten „lin­guistischen Relativitätsprinzip“, nach dem die Sprachen Denken und Wahrnehmung ihrer jeweiligen Sprecher determinieren. Neben der Rezeption der Sapir-Whorf-Hypothese werden schließlich die Arbeiten Anna Wierzbickas behandelt, die der Suche nach lexikalischen Universalien bzw. „semantic primitives“ und einer „natural semantic metalanguage“ gewidmet sind und zahlreiche Fragen des Vergleichs von Sprachen und Kulturen erörtern. Je nach Studienrichtung und Sprachkenntnissen der Teilnehmenden können Beispiele aus verschiedenen Sprachen einbezogen werden.