Politik und Gemeinwesen sind auf Repräsentation und Darstellung angewiesen, wobei Fiktionen und Imaginationen eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Eine wichtige Vorlage hierfür bildet seit der Antike der menschliche Körper, der dem Politischen ein Gesicht gibt, Hand und Fuß verleiht und die Wahrnehmung politischer Ordnungen steuert. Schon bei Livius taucht ein berühmten Körpergleichnis auf, das revolutionären Kräften Einhalt gebietet: Aufrührerische Hände, Münder und Zähne sollen lernen, dass sie selbst an Kraft verlieren, wenn sie dem Magen, der für die herrschende Ordnung steht, die Nahrung verweigern. Wie in diesem Beispiel dient der metaphorische Rekurs auf den Körper und Organismus in der Geschichte politischer Körperkonzeptionen häufig dazu, Ganzheit herzustellen, politische Ordnungen zu naturalisieren und als Unabänderliche zu legitimieren. Im Bruch mit gewöhnlichen Körpervorstellungen können die Metaphern aber auch Widerstand üben.
Das Seminar möchte die Darstellung und Funktion von Metaphern des politischen Körpers zunächst anhand von exemplarischen philosophischen und historischen Texten zurückverfolgen und dann in literarischen Texten des späten 18. bis 20. Jahrhunderts (u.a. von Novalis, Kleist, Büchner, Brecht) genauer ansehen. Befassen werden wir uns hierbei nicht nur mit den historischen Veränderungen im Gemeinschafts- und Körperverständnis. Von Interesse wird auch das genaue Verhältnis von Metaphorischem und Buchstäblichem und in diesem Zusammenhang der politische Einfluss auf den Körper selbst sein, der insbesondere in literarischen Texten des 19. Jahrhundert gegen ein nur metaphorisches Körperverständnis ausgespielt wird.
- Dozent/in: Andrea Erwig-Haselbeck