Ende des 20. Jahrhunderts vollzog sich in der Erinnerungslandschaft
Osteuropas ein bemerkenswerter Wandel. Nach dem Zusammenbruch des
sozialistischen Ostblocks und der staatlichen Kontrolle über die
Erinnerungspolitik erlebten die Erinnerungskulturen der Region einen
regelrechten memory boom. Zugleich hatte die Erschließung der
verbotenen und verdrängten Kapitel der Geschichte, die Neuordnung und
Neuerfindung osteuropäischer Nationen zumindest im gleichen Maße mit
gesamteuropäischen, ja globalen Trends zu tun. Das wachsende Bewusstsein
für lokale historische Traumata wurde maßgeblich durch solche globalen
Vorbilder für den Umgang mit Vergangenheit wie die Erinnerung an die
Shoah geprägt, deren Aufarbeitung und Gedenken trotz aller Widerstände
in der Region wichtige Maßstäbe legte. Anfang des Millenniums wurde eine
derartige Glokalisierung der Erinnerungskulturen aber auch durch das
sukzessive Verschwinden der Zeitzeugen begleitet. Ob die Shoah, der
Warschauer Aufstand, die stalinistische Repression in Gestalt von Lager
oder Hunger, der Sieg über den Faschismus – die unmittelbare Erinnerung
an die dramatischen „Traumata und Triumphe” des 20. Jahrhunderts
Jahrhunderts (A. Assmann) wurden zum Gegenstand einer zunehmenden
Medialisierung. In unserem Seminar werden wir gemeinsam die wachsende
Rolle diverser Medien – der Literatur, des Films, aber auch der
Rock-Musik untersuchen, um zu sehen, in welchem Maße die kollektiven
Gedächtnisse Osteuropas im Zeitalter nach der Zeugenschaft, after memory, unter dem Einfluss neuer postmoderner Medien- und Kulturphänomene stehen.
- Dozent/in: Roman Dubasevych