Ein Gefühl von Ohnmacht und Marginalität im Vergleich zu Westeuropa und die messianische Vorstellung von einer besonderen Leidensfähigkeit und Größe scheinen in der polnischen Selbstwahrnehmung eine seltsame Liaison einzugehen.

Im Seminar wollen wir Stanislaw Wyspianski und Przerwa Tetmajer als universell begabte Dramatiker und Dichter neu entdecken und anhand von Texten wie "Zawisza Czarny", "Klatwa" und "Wesele" ihre Entwicklung als Dichter der Mloda Polska aus dem Blickwinkel einer zerrissenen polnischen Selbstimagination nachvollziehen.

Zwar hat schon vor ihnen Mickiewicz mit "Grazyna", "Konrad Wallenrod" oder auch "Pan Tadeusz" Figuren von Verrätern in den Mittelpunkt gerückt, die der nationalen Sache mit Hilfe der Mimikry dienten. Obwohl diese Fiktionen auf die Relativierung von Opfer- und Widerstandsmythen und damit traditioneller Heldenvorstellungen abzielten, überhöhte ein national aufgeladenes Dichtungsverständnis weiterhin pathetisch Narrative von selbstaufopfernden Taten. Bewußt oder unbewußt prägen diese bis heute in Teilen gesellschaftliche Diskurse.

Die Vertreter des Jungen Polens werfen im Gegenzug illusionslose Blicke auf den Menschen und Konzepte der nationaler Erweckungsbewegung. die auf Exklusivität setzen. Sie "nutzen" ihr elitäres Dichtungsverständnis, um eine als grausam akzeptierte Wirklichkeit poetisch zu übersteigen. Intermedialität und Intertextualität sollten dionysische "Auswege" im Geistigen ermöglichen. Während sich in romantischen Texten an Sarmatisches anknüpfende Ritterfiguren zwischen die Fronten begeben, um als Märtyrer schuldbeladen der nationalen Sache zu dienen, ist der Hausherr, in Wyspianskis "Wesele" nicht mehr bereit, die Bauern aus der Umgebung im Dunkel der Nacht zusammen zu rufen, um gemeinsam zum Wawel zu ziehen und einen Aufstand gegen Habsburg loszuschlagen …

Traum und Wirklichkeit, Alltägliches und Unheimliches mischen sich in Auseinandersetzung mit dem Messianismus und den in der Moderne entleerten Formeln nationaler Selbstimagination. Für Interessierte, die anhand unterhaltsamer Texte und ihrer Verfilmungen imaginären Selbst- und Fremdbildern auf die Spur kommen wollen.