In einem Interview prägte der prominente russische Schriftsteller Dmitrij Bykov einen paradoxen Satz: Der (Bürger-)Krieg in der Ukraine sei in erster Linie „ein Krieg der Autoren” gewesen. Bykovs provokante These stützte sich auf die Tatsache, dass der Krieg im Donbas noch lange vor seinem Ausbruch in diversen „military fiction”-Romanen von Autoren wie Fjodor Berezin oder Sergej Luk’’janenko imaginiert oder wie im Falle von Zachar Prilepin, Aleksander Prochanov oder Eduard Limonov ideologisch sogar begrüßt wurde. Im Zentrum des Seminars steht also das komplexe Verhältnis zwischen Literatur und Gewalt. Wie geht die Literatur mit Gewalterfahrungen in der Gesellschaft um? Welche Formen der Gewaltrepräsentation und ihrer Kritik hat sie entwickelt? Kann sie Komplize der Gewalt sein? Die heftigen gesellschaftlichen Konflikte und Spannungen in der Ukraine, in Russland und zuletzt in Polen, die Fragilität liberal-demokratischer Ordnungen haben viele überrascht; ihre Wurzeln lassen sich aber teilweise bis ins 19. Jahrhundert verfolgen. Im Seminar werden wir die klassischen Texte aus den krisenhaften „Zeiten der Wirren” kennenlernen und über ihre historischen und politischen Vermächtnisse diskutieren. Die weltweiten Erfolge der Populisten bezeugen, dass auch der Westen vor den Problemen des Ostens bei Weitem nicht gefeit ist.