[Thematik] Wilhelm Kamlah (1905-1976) begründete gemeinsam mit Paul Lorenzen in den 60er Jahren die Erlanger Schule. Als Ausgangsdokument kann die erstmals 1967 erschienene "Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens" gelten. In seiner 1973 veröffentlichten Schrift „Philosophische Anthropologie“ legt Kamlah eine eigenständige und (relativ auf die Kantische Tradition) eigenwillige Konzeption vor: In der deskriptiven Anthropologie, der „Explikation einiger Erfahrungen von jedermann“, legt er den Grund für die Normative Anthropologie, die Ethik, die vor allem auf die Aufstellung einer moralischen Grundnorm zielt. In einem dritten Schritt, der Eudämonistischen Anthropologie, fragt er danach, worin ein gutes oder gelungenes Leben und vor allem Sterben für den im deskriptiven Teil als bedürftig identifizierten Menschen besteht.
Bereits dieses Arrangement von Themen der Praktischen Philosophie verdient Aufmerksamkeit. Mit seinem sprachkritischen Vorgehen macht Kamlah es sich ferner zur Aufgabe, "unser Verhalten und Handeln betreffende, jedermann irgendwann umtreibende Fragen anzugehen, ohne dabei auf die Mittel vernünftiger Argumentation zu verzichten." Anders: Fragen, die uns Menschen existenziell angehen, sollen – im Hinblick auf die Üblichkeiten darf man sagen: dennoch – in einer klaren und nachvollziehbaren Sprache aufgenommen und beantwortet werden.
[Gliederung]
- Der Konstruktivismus der Erlanger Schule im Überblick
- Hintergrund, Anliegen und Werk von Wilhelm Kamlah
- Deskriptive Anthropologie
- Normative Anthropologie (Ethik)
- Eudaimonistische Anthropologie (Philosophie als Lebenskunst)
- Philosophische Anthropologie als Erste Philosophie
[Erwartung] Jede TeilnehmerIn sollte die "Philosophische Anthropologie" vor Beginn des Seminars einmal ganz gelesen haben. Empfohlen wird ferner die Kenntnisnahme des Vorwortes zur zweiten Auflage der "Logischen Propädeutik" sowie die Einleitung zu diesem Werk.
[Primärliteratur] Kamlah, W.: Philosophische Anthropologie. Sprachliche Grundlegung und Ethik; Mannheim 1973. (Der Text ist vergriffen und kann von TeilnehmerInnen über das Sekretariat von Frau Schlünß (schluens@uni-greifswald.de) angefordert werden.) – Kamlah, W./ Lorenzen, P.: Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens; Mannheim 1973 (2. verbesserte und erweiterte Auflage, zuletzt als dritte Auflage 1996 unverändert nachgedruckt) – Kamlah, W.: Der Mensch in der Profanität; Mannheim 1973. Versuch einer Kritik der profanen durch vernehmende Vernunft, Stuttgart 1949. – Kamlah, W.: Utopie–Eschatologie–Geschichtsteleologie. Kritische Untersuchungen zum Ursprung und zum futurischen Denken der Neuzeit, BI-Hochschultaschenbuch 461, Mannheim – Wien – Zürich 1969.
[Sekundärliteratur] Langanke, M.: Fundamentalphilosophie und philosophische Anthropologie im Werk Wilhelm Kamlahs, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 51 (2003), 639-657. – Gethmann, C.F./ Siegwart, G.: The Constructivism of the „Erlanger Schule“: Background, Goals and Development, in: Cogito 8 (1994), 226-233. – Gethmann, C.F.: Phänomenologie, Lebensphilosophie und konstruktive Wissenschaftstheorie. Eine historische Skizze zur Vorgeschichte der Erlanger Schule, in: Ders. (Hg.): Lebenswelt und Wissenschaft. Studien zum Verhältnis von Phänomenologie und Wissenschaftstheorie, Bonn 1991, 28-77.
- Dozent/in: Manuela Schlünß