Aufgrund gewaltiger Katastrophen des 20. Jahrhunderts haben die einst multiethnischen Gesellschaften Mittel- und Osteuropas ihren multikulturellen Charakter verloren. Die neuen Grenzziehungen nach dem Zerfall großer kontinentaler Reiche – der Habsburgermonarchie, des Russischen und Deutschen Reiches –, der Wettkampf der Nationalismen zwischen den Kriegen, die Shoah und Stalinismus nach dem Krieg löschten ganze Bevölkerungsgruppen aus oder übergingen ihre Existenz mit beredtem Stillschweigen. Wie kam es zur fatalen Entfremdung trotz jahrhundertelangen Nebeneinanders? Warum blieben die Vertreter bestimmter Gruppen Fremde im eigenen Land oder fanden ihre Heimat erst in der Fremde? Ferner mutet die aktuelle „Renaissance” das Nationalismus, xenophobischer und antisemitischer Tendenzen umso paradoxer an, als man nach der Wende von Liberalisierung und Demokratisierung als lang ersehnten, ja selbstverständlichen Zielen in dieser leidgeprobten Region ausging. Anhand exemplarischer Texte und Kulturphänomene (z. B. Filmkunst und Malerei) aus der ukrainischen, russischen, polnischen und jüdischen Literatur werden wir im Seminar den Umgang mit dem Anderen und Alterität in Osteuropa studieren. Dabei werden wir erfahren, warum die kulturelle Vielfalt und Hybridität von manchen (immer wieder) als Bedrohung, von anderen aber als (die einzige) Chance auf Frieden und kulturelle Blüte wahrgenommen wird. Und schließlich warum der Haß und die Angst vor dem Anderen und Fremden nicht nur Ostereuropa treffen.

Teilnahmevoraussetzungen: Referat und regelmäßige Teilnahme; Kenntnisse osteuropäischer

Sprachen sind nicht erforderlich. Die Literaturliste wird im Seminar bekanntgegeben.